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Kapitalstrategie Ü60: So gelingt die Entnahmephase ohne finanzielle Engpässe

Die meisten Anleger konzentrieren sich viele Jahre auf das Wachstum ihres Vermögens. Doch was passiert, wenn die Erwerbsphase endet und es nicht mehr um Aufbau, sondern um gezielte Entnahme und Kapitalerhalt geht? An welche Kapitalstrategie sollten Anlegen sich nun halten?

Genau darum geht es in der dritten Folge der Kapitalgespräche mit mir und Julian Pickbrenner. In diesem Beitrag fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und geben Ihnen eine klare Struktur an die Hand, wie Sie die Entnahmephase ab dem 60. Lebensjahr sicher und flexibel gestalten können.

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Alle Antworten zum Thema Kapitalstrategie Ü60 auf einen Blick

Warum die Entnahmephase eine kapitalstrategischen Neuausrichtung erfordert

Im Ruhestand verschieben sich die finanziellen Ziele deutlich. Wo früher Wachstum im Vordergrund stand, geht es nun um:

Gerade in dieser Phase ist es entscheidend, das vorhandene Vermögen nicht nur zu sichern, sondern auch intelligent verfügbar zu machen. Das setzt eine klar strukturierte Strategie voraus und vor allem ein Umdenken.

Die bewährte 60/40-Kapitalstrategie als solides Fundament

Ein klassisches Modell, das sich in der Entnahmephase vielfach bewährt hat, ist die 60/40-Aufteilung:

60 % Aktien (Wachstumsbaustein)

40 % Anleihen (Sicherheitsbaustein)

Diese Kombination ermöglicht eine gute Balance zwischen Rendite und Stabilität. Historische Daten zeigen: Wer jährlich maximal 4 % seines Vermögens entnimmt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit über 30 Jahre oder länger finanziell stabil bleiben.

Wichtig dabei: Der Anleihenteil dient als Puffer bei Krisen und reduziert die Volatilität des Gesamtportfolios spürbar.

Häufige Denkfehler in der Entnahmephase

Einige Anleger begehen in dieser Lebensphase strategische Fehler, die langfristig teuer werden können:

  • Zu hohe Aktienquote: Wer mit hohem Risiko startet, kann bei einem Börsencrash in der frühen Entnahmephase große Verluste erleiden (Stichwort: Sequence of Returns Risk).
  • Einseitige Dividendenstrategien: Diese gelten zwar als „verlässlich“, führen jedoch zu Klumpenrisiken, Steuerbelastungen und oft niedrigeren Gesamtrenditen.
  • Langlaufende Anleihen: Sie reagieren empfindlich auf Zinsänderungen. Besser sind kurzlaufende Anleihen mit hoher Bonität – beispielsweise über Anleihen-ETFs.

Entnahmestrategien im Überblick – welche passt zu Ihnen?

Je nach Risikoneigung und Lebenssituation bieten sich verschiedene Entnahmemodelle an. Hier eine strukturierte Übersicht:

  1. Fester Entnahmebetrag (plus Inflationsausgleich)
    Jährlich gleicher Betrag, z. B. 1.500 €/Monat.
    Sehr planbar, aber wenig flexibel.
    Risiko: Entnahme unabhängig von der Marktentwicklung.
  2. Prozentuale Entnahme
    Entnahme orientiert sich am aktuellen Depotwert (z. B. 4 % jährlich).
    Vorteil: Gleicht Wertschwankungen automatisch aus.
  3. Dynamische Entnahmestrategie
    Der Entnahmebetrag passt sich jährlich der Portfolioentwicklung an.
    Bei Börsenrückgängen wird weniger entnommen, in guten Jahren mehr.
    Reduziert das Risiko, in Abschwungphasen Substanz zu entnehmen.
  4. Mehrtopfprinzip
    Aufteilung des Vermögens in drei Töpfe: Sicher (Tagesgeld/Anleihen), wachstumsorientiert (Aktien) und ggf. mittelfristig (z. B. Mischfonds).
    Entnahme erfolgt bevorzugt aus den risikoarmen Anteilen.
    Besonders geeignet für Anleger mit hoher Sicherheitsorientierung.

Die Bedeutung des Sequence-Risikos

Das sogenannte Sequence of Returns Risk beschreibt das Problem, dass schlechte Marktphasen zu Beginn der Entnahmephase massive Auswirkungen auf die gesamte Finanzplanung haben können.

Ein Beispiel: Wer mit 500.000 € startet und in den ersten zwei Jahren 30–50 % seines Aktienvermögens verliert, muss dauerhaft mit deutlich geringeren Entnahmen rechnen – oder riskiert, dass das Vermögen vor dem Lebensende aufgebraucht ist.

Die Lösung: Dynamische Strategien oder zeitweise Entnahmen nur aus dem risikoarmen Portfolioanteil (z. B. zwei Jahre ausschließlich aus Anleihen).

Warum reine Dividendenstrategien problematisch sind

Auch wenn Dividenden eine gewisse Regelmäßigkeit versprechen, gibt es klare Nachteile:

  • Die Ausschüttung reduziert den Kurswert der Aktie unmittelbar.
  • In Deutschland fallen auf jede Auszahlung sofort Kapitalertragsteuer und Soli an.
  • Wachstumsstarke Unternehmen (z. B. Tech-Werte) zahlen oft keine Dividenden und werden so automatisch ausgeschlossen.
  • Es entsteht häufig ein Klumpenrisiko in Branchen wie Versorger oder Banken.

Fazit: Eine gute Gesamtstrategie sollte Dividenden nicht priorisieren, sondern nur als netten Bonus sehen.

Das optimale Vorgehen – Schritt für Schritt

Hier eine strukturierte Anleitung, wie Sie Ihre Entnahmephase professionell vorbereiten:

  • Ziele definieren: Wie viel monatliche Entnahme benötigen Sie? Wie wichtig ist Sicherheit vs. Rendite?
  • Strategie auswählen: Festbetrag, prozentual, dynamisch oder Mehrtopf?
  • Risiken simulieren: Was passiert bei einem Crash zu Beginn der Entnahme?
  • Anleihenstruktur prüfen: Kurze Laufzeiten und hohe Bonität bevorzugen.
  • Steuern berücksichtigen: Nettoentnahme planen, nicht Brutto.
  • Regelmäßige Anpassung: Mindestens jährlich das Depot und die Strategie überprüfen.
  • Beratung einholen: Insbesondere bei komplexeren Vermögensverhältnissen.

Fazit: Ruhig investieren, klug entnehmen

Die Entnahmephase ist kein Selbstläufer, sie erfordert mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit wie der Vermögensaufbau. Eine durchdachte, flexible Entnahmestrategie schützt vor unangenehmen Überraschungen und sichert Ihnen langfristige finanzielle Freiheit.

Die Kombination aus einem ausgewogenen Portfolio (z. B. 60/40), einer dynamischen Entnahmeregelmund regelmäßiger Überprüfung sorgt dafür, dass Sie ruhig schlafen können – heute, morgen und in vielen Jahren.

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Klaus Rombach Finanzberater

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